Dez 302012
 

Vater und Sohn stehen mit leuchtenden Augen vor dem Grabbeltisch.
Das einzige Mal im Jahr wo der Sohn schon seit morgens um 7 Uhr auf dem elterlichen Bett rumhüpft und darum bettelt mit Einkaufen gehen zu dürfen.
28.12. Bunter Endjahreszerstörungswahnsinn.
Ich hab nix gegen den Brauch mit dem in die Luft sprengen von Geld das neue Jahr zu begrüßen, aber muss das denn unbedingt so ausarten?
Die Minen einiger hin und her geschubster Menschen am Grabbeltisch sehen so aus als würden sie die Pakete am liebsten sofort aufreißen um sich mit den Feuerwerkskörpern noch im Laden bekriegen zu können. Hier spürt man noch die übriggebliebene Herzlichkeit vom Weihnachtseinkauf.
Ein schönes großes Feuerwerk ist was tolles, dagegen ist nix zu sagen.
Aber warum man sein Geld für irgendwelchen Müll ausgibt, der nur kurz pifffff macht und dabei vier bunte Funken verliert oder der einfach nur laut ist, werde ich wohl nie verstehen.
Wenn jeder Haushalt in einer Straße 10% des Geldes, was sie für Feuerwerkskörper ausgeben, in einen Gemeinschaftstopf werfen würden, könnten sie davon ein großes schönes Feuerwerk kaufen, an dem sich alle erfreuen. Man hätte das herrlichste Feuerwerk, dass die Straße je gesehen hat, seine Neujahrsbegrüßungspflicht erfüllt, die Gemeinschaft gestärkt und sehr viel Geld gespart, von den Ressourcen und der Müllreduzierung möchte ich gar nicht erst anfangen.
Aber das ist ja Hippiedenke und würde der Natur des Menschen widersprechen.
Jeder will ja selber das größte und beste Feuerwerk in der Straße haben.
Wenn der Nachbar den Megavulkan hat, brauch ich natürlich den XXL-Monster-Vulkan!
Der Vater hält andächtig eine Feuerwerksbatterie namens „Dschingis Khan“ in den Händen. Beiden schießen Tränen in die Augen.
Immer wieder rührend zu sehen wie größenwahnsinnige Diktatoren angebetet werden.
Überhaupt diese ganzen martialischen Namen und mindestens mit einer Superlativen versehen.
Der Junge löst sich aus seiner Starre und rüttelt am Vater, es dauert einige Augenblicke bis auch der wieder erwacht. Wortlos zeigt der Kleine auf ein Plakat.
Der Vater lässt Dschingis Khan achtlos fallen und geht wie in Trance auf das Plakat zu.
„Headhunter“ ist darauf zu lesen, natürlich in XXL. Auch haben die Werbetexter es geschafft die Wörter ‚rasant‘, ‚schrill‘ und ‚power‘ in einem nur fünf Wörter umfassenden Satz unterzubringen.
Gemeint ist wieder eine Feuerwerksbatterie.
Mit 1000 Schuss!
Nur einmal anzünden!
Wäre vermutlich auch sehr anstrengend 1000 Schuss einzeln anzuzünden.
Ich frage mich ob der Name „Headhunter“ den Einsatzzweck oder die Nebenwirkung beschreibt.
Vielleicht gibt es ja eine integrierte Auslöseverzögerung, sodass die Batterie genau dann losgeht, wenn man grade den Kopf drüber hält um zu gucken was los ist.
Zack! Headhunter!
Auch schön find ich die Batterie „Dicke Berta“.
Allein schon weil man viele tolle Wortspiele machen kann wie:„Ich schieb die Dicke Berta im Einkaufswagen durch die Gegend.“ oder „Ich zünde dann mal die Dicke Berta an.“ und wenn das nicht klappt „Ach Mist! Die Dicke Berta ist feucht geworden.“.
Was wohl passiert wenn die Dicke Berta platzt?
Vielleicht schießt das Ding ja Fettaugen oder McDonalds-Gutscheine.
Das Traurige an der ganzen Geschichte ist, dass ich mir die Namen nicht mal aus dramaturgischen Gründen ausdenken musste.
Der Mann senkt seinen Blick vom Plakat hinab, der Korb darunter ist leer. Hektisch schaut er sich um. Ein anderer Mann fährt grade mit der letzten Batterie im Wagen davon.
Wenn Blicke für Spontanentzündungen von Feuerwerksbatterien in fremden Einkaufswagen sorgen könnten. Ich glaube, hier wird es gleich einen echten Headhunter geben.
Ich geh dann mal weiter.
Ansonsten nix Neues.
Same procedure as every year. (Dieser Satz darf in einem Silvestertext einfach nicht fehlen.)
Ekliger Käse in rechteckige Form geschnitten, mit dem Zusatz „Raclette, ohne Rand“ und dann doppelt so teuer verkauft.
Zweifelhafte Fleischstücken in rechteckige Form geschnitten, mit dem Zusatz…ups, ich wiederhole mich. Selbiges Fleischzeugs gibt’s auch kleiner geschnitten, heißt dann aber Fondue.
Billiger Sekt und sonstiger Fusel.
Und das alles nur um den alljährlichen guten Rutsch der daraus entstehenden Pampe die Speiseröhre hoch zu erleichtern.
Ein anderer männlicher Erziehungsverächtiger wuchtet grade zwei Kisten Sekt in seinen Einkaufswagen. Es kommen zwar nur vier Leute, aber man weiß ja nie und schließlich is der Sekt ja im Angebot.
Das Mädchen neben ihm zuppelt an seiner Hose.
„Ich will mich auch betrinken!“, kreischt sie.
Aber zum Glück hat der Markt auch für diesen Wunsch ein Produkt geboren.
Kindersekt.
Damit die Kleinen saufen können wie die Großen. Denn früh übt sich ja bekanntlich.
Jahresenden machen mich irgendwie immer so melancholisch.
Ich glaub, ich grab mich einfach bis zum 01.01. ein.
Und damit das neue Jahr für mich trotzdem gut wird, pflanz ich oben drauf noch ein Töpfchen Glücksklee mit Schornsteinfegermännchen.
Natürlich für 1€.

  One Response to “Schall auf Knall”

  1. Wenigstens etwas zum Schmunzeln bei diesem Silvesterwahnsinn, danke. Ich hoffe ich erinnere mich daran dieses Jahr vor Silvester diesen Text zur Aufmunterung zu lesen.

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